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(FSK) Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft

Der Artikel von Jens Berger „Das Volk gegen Zensurursula“ vom 6 Mai 2009, hat es in sich. Wie uns ein Sprichwort lehrt, so steckt der Teufel bekanntlich im Detail. Die neutrale „Kontrollinstanz“ – ist hier unser Stichwort, wie aus dem folgenden Absatz hervorgeht.

Die Zensur ist das Breitschwert, das dort mit Brachialgewalt geschwungen wird, wo eigentlich ein Florett vonnöten wäre. Die geplante Sperrliste wird vom BKA verwaltet und es ist nicht vorgesehen, eine neutrale Kontrollinstanz einzuschalten, die über Sperrung oder Freigabe entscheidet. Dies ist ein Novum in der deutschen Jurisdiktion – bis dato gilt für alle Medien, dass sie entweder von einer freiwilligen Selbstkontrolle oder von der Bundesprüfstelle überprüft werden. So sehr man diese Prüfungen auch im Detail kritisieren mag, sie unterliegen rechtsstaatlichen Prinzipien. […] Die „Internetsperrliste“ wird nicht von einem rechtsstaatlich legitimierten Gremium aufgestellt, sondern in den dunklen Kellern des BKA – weder eine Einsicht in die Liste, noch ein offenes Sperrungsverfahren sind vorgesehen. Hier besteht die große Gefahr staatlicher Willkür – solche Verfahrensweisen sind allenfalls aus Diktaturen bekannt.

Den Ausführungen des Spiegelfechters kann ich nur zustimmen. An einem Beispiel möchte ich aufzeigen, dass es eine sogenannte neutrale Kontrollinstanz in Deutschland nie gegeben hat.

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Selbstkontrolle der Rundfunk und Fernsehanstalten

Verantwortlich für die Programmgestaltung der Rundfunk- und Fernsehanstalten ist jeweils der leitende Intendant. Er wird von Rundfunk- Verwaltungs- und Programmbeiträgen kontrolliert bzw. beraten, die ihrerseits zuverlässige Repräsentanten der verschiedenartigen gesellschaftlichen Gruppierungen sind. Die Verschiedenartigkeit dieser gesellschaftlichen Verbände ist der »pluralistischen Gesellschaft« von besonderem Reiz, da man allerorten feststellen kann, welche unterschiedlichen politischen Positionen von Kirchen, Gewerkschaften, Parteien, sonstigen Interessenverbänden und Länderverwaltungen in diese Gremien eingebracht und zum »agreement« in Personalpolitik und Sendeplänen verarbeitet werden.

Mag auch hier die Verwunderung des kleinen Moritz nicht zählen, so ist es doch schon sehr bedenklicher, wenn ein Jurist (Starck) in einem wissenschaftlichen Buch „Herrschaft und Kritik, Probleme der Rundfunkfreiheit“ (Frankfurt 1974) zum Ergebnis kommt,

„daß die rechtliche Organisation der gesellschaftlichen Kontrolle des Rundfunks und Fernsehens in vielen Fällen nicht den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maximen entspricht. – Viele Rundfunkgremien (sind) verfassungswidrig besetzt.“[1]

„In der Bundesrepublik liefert das Fernsehen wöchentlich 400 Gewaltverbrechen frei Haus. Untersuchungen von ARD und ZDF zeigten, daß 25% der Kinder zwischen drei und neun Jahren zwei Stunden und länger, 47% ein bis zwei Stunden und 95% bereits im Vorschulalter 45 Minuten täglich fernsehen.“[2]

Selbstkontrolle der Illustrierten

Nach dem Motto: »Wir kontrollieren uns selbst« schufen sich die Illustriertenverleger 1957 eine Satzung, in der es u.a. heißt: „Im Bereich der Illustrierten ist eine gesunde, für die Jugenderziehung unbedenkliche Gesamtatmosphäre zu schaffen, insbesondere dafür zu sorgen, daß bei der Gestaltung der Illustrierten Darstellung vermieden werden, die jugendgefährdend sind.“ 1971 löste sich die Selbstkontrolle illustrierter Zeitschriften auf. Wiederbelebungsversuche durch Bundespräsident Heinemann hatten keinen Erfolg; dafür waren seine Wiederbelebungsversuche in Sachen KPD – DKP umso erfolgreicher.

Selbstkontrolle deutscher Romanheft-Verlage

1963 konstituierte sich die Selbstkontrolle deutscher Romanheft-Verlage, um zu erreichen, zeitig Straf- und Jugendschutzbestimmungen aus dem Wege zu gehen. Der Kreis der prüfungspflichtigen Manuskripte beschränkt sich auf Wildwest-, Kriminal-, Abenteuer-, Utopische-, Soldaten- und Horror-Romane. Nicht kontrolliert werden Sex- bzw. pornographische Hefte dieser Verlage!


Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK)

Die FSK, gegründet, als die Besatzungsmächte ihre Zensur aufgaben, wollte oder sollte sich an den amerikanischen und englischen Vorbildern orientieren. 1948 wurde auf einer Kultusministerkonferenz beschlossen, »eine im Einvernehmen und in Zusammenarbeit mit den Kultusministern von den filmwirtschaftlichen Verbänden der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) errichtete Prüfungsstelle anzuerkennen.« »Diese Grundsätze der FSK« (der Filmselbstkontrolle) sehen u.a. folgendes vor:

  • Die FSK ist eine Abteilung der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V. (SPIO), der ihrerseits die Verbände der Filmwirtschaft, der Filmproduzenten, Filmverleiher und Filmtheaterbesitzer unterstehen.
  • Für Prüfungen gibt es einen Instanzentzug von 3 Ausschüssen: Arbeits-, Haupt- und Rechtsausschuss.
  • Prüfmaßstäbe sind u.a.: Verhinderung negativer Einflüsse auf moralischen, religiösem Gebiet; – Verhinderung von antidemokratischen militärischen, imperialistischen, nationalistischen oder rassenhetzerischen oder solchen Tendenzen, die die Beziehungen anderer Staaten gefährden oder das Ansehen Deutschlands im Ausland herabwürdigen können; – auch ist zu gewährleisten, dass geschichtliche Tatsachen nicht verfälscht werden.

Nach »Kanalisierung der Pornographie« (soll wohl „weitgehende Freigabe“ heißen) am 28.1.1975 ist für Porno-Filme, die sich fortan weitgehend einer Kontrolle entziehen können, eine Änderung eingetreten. Werner Wohland schreibt in „Informationsfreiheit und politische Filmkontrolle – Ein Beitrag zur Konkretisierung von Art. 5 Grundgesetz“ 1968, in § 11 auf S.210:

„Durch diese starke Beteiligung der öffentlichen Hand ist das bei der Gründung der FSK angestrebte Ziel, den Staat aus der Filmzensur auszuschließen, nicht verwirklicht worden. So ist es sehr bedenklich, dass die FSK sich weiterhin als »Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft« bezeichnet, obwohl sie weder freiwillig noch eine Selbst-Kontrolle ist. Die öffentliche Meinung hat jedoch an dieser irreführenden Bezeichnung niemals ernsthaft Kritik geübt… Die öffentliche Hand hat sich nicht mit der Entsendung von Vertretern in die Prüfgremien der FSK begnügt. Sie hat auch auf die Prüftätigkeit im Einzelfall Einfluss genommen…“ (Der Einfluss über Millionenbeträge für die Filmförderung war hiermit nicht angesprochen worden, sondern wäre eines gesonderten Kapitels wert.)

Als entscheidend für den Zensurbegriff (abgesehen von der Vorzensur gegenüber einer Publikation) wird bezeichnet,

„dass der Eingriff in die freie Meinungsbildung von fremden Stellen ausgeht“ „Deshalb sind freiwillige Selbstkontrolleinrichtungen keine Zensurbehörden.“ [3]

Rudolf Stefan - Leiter der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften

Die FSK (Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft) informiert den Konsumenten auch über einige Altersfreigaben zu diversen Filmen.

Ein Beispiel:

Begründung zur Kennzeichnung des Films JARHEAD „freigegeben ab 12 Jahren“

[…] Zu Beginn wird der Zuschauer in drastischer Weise und mit grobem Sprachgebrauch mit der Ausbildung der Rekruten konfrontiert: ungebrochene Kriegseuphorie, Scharfmacherei und Männergehabe dominieren die Szenerie. Die Ausschuss-mitglieder beurteilten diese anreißerisch wirkende Filmpassage als problematisch für 12-jährige Mädchen und Jungen, sieht sie aber durch die Musik (?) und den Fortgang der Story konterkariert (!) […] Denn die Veränderungen der Figuren mit dem tatsächlichen Einsatz im Kriegsgebiet werden auch von dieser (!) Altersgruppe verstanden. Nach Meinung der Ausschussmitglieder kann der Film trotz einiger problematischer Einzelszenen und Sprachbilder auch schon von 12-Jährigen verstanden und verarbeitet (!) werden, da er zum Nachdenken anregt und eine Auseinandersetzung zur Thematik Krieg und seine Folgen in Gang setzt.[…] [4]

Haben wir das jetzt richtig verstanden? Jungen und Mädchen von 12 Jahren verstehen also den Unterschied von Kriegsfilmen die den Krieg verherrlichen und „Anti-Kriegsfilmen“, die das junge Gemüse von Gewalt und Brutalität abschrecken sollen. Um es mal mit den Worten der FSkler´ zum Ausdruck zu bringen, »sind diverse Kinostreifen, trotz einiger „problematischer Einzelszenen“ für die 12-Jährigen Mädchen und Jungen, unbedenklich und gerade durch die akustische Begleitung der „Musik“, (der Gewehre und Granaten?) welche den „Fortgang der Story konterkariert“, auch von diesen Altersgruppen „verstanden und verarbeitet“.

Die Alterseinstufung ab 12 Jahren beschreibt man übrigens wie folgt:

Bei Jugendlichen dieser Altersgruppe ist die Fähigkeit zu distanzierter Wahrnehmung und rationaler Verarbeitung bereits ausgebildet. Erste Genre-Kenntnisse sind vorhanden. Eine höhere Erregungsintensität, wie sie in Thrillern oder Science-Fiction-Filmen üblich ist, wird verkraftet. Problematisch ist dagegen zum Beispiel die Bilderflut harter, gewaltbezogener Action-Filme, die zumeist noch nicht selbständig verarbeitet werden kann. 12- bis 15-jährige befinden sich in der Pubertät, einer schwierigen Phase der Selbstfindung, die mit großer Unsicherheit und Verletzbarkeit verbunden ist. Insbesondere Filme, die zur Identifikation mit einem „Helden“ einladen, dessen Rollenmuster durch antisoziales, destruktives oder gewalttätiges Verhalten geprägt ist, bieten ein Gefährdungspotenzial. Die Auseinandersetzung mit Filmen, die gesellschaftliche Themen seriös problematisieren, ist dieser Altersgruppe durchaus zumutbar und für ihre Meinungs- und Bewusstseinsbildung bedeutsam.[5]

Die Emotionen überlasse ich Ihnen. Dazu fällt mir spontan nicht wirklich etwas ein. Ja, ich bin selten sprachlos und in diesem Fall darf ich gar nicht länger darüber nachdenken. Das mir nach einer Weile jede Menge einfällt, möchte ich nun doch nicht provozieren. Das Beispiel „FSK“, ist natürlich eine andere Kategorie als das Gewicht der Kinder-pornographischen Zensur, welche im Grunde ja keine ist, sondern die man lediglich so nennt – nein. Dieses Beispiel soll aufzeigen, wie Filmmaterial in Deutschland für Kinder ab 12 Jahren bewertet, begründet und legitimiert wird. Warum man hier die Altersfreigabe nicht höher, sondern erschreckend niedrig ansetzt. Ist das keine berechtigte Frage? Ganz davon abgesehen, dass die FSK keine unabhängige Kontrollinstanz ist.

Merke: Eine Zensurbehörde ist keine Selbstkontrolleinrichtung !


Andreas Helten
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[1] Rudolf Stefan, „Massenmedien Jugendschutz“, zum Heft 7 der Schriftenreihe für jugendgefährdende Schriften, Bonn-Beuel 1976, S. 70.

[2] Rudolf Stefan und Jörg Weigand, „Jugendmedienschutz – ohne Zensur in der pluralistischen Gesellschaft“, Baden-Baden 1978, S. 36.

[3] Rudolf Stefan, „Gesamtverzeichnis indizierter Medien“, Stand 31.12.1978, Baden-Baden 1979, S. 123

[4] http://www.spio.de/index.asp?SeitID=306

[5] http://www.spio.de/index.asp?SeitID=18

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Weitere Verweise

Vierteljahresberichte zu den Bewertungen der Altersfreigaben für Film, Fernsehen und Kino, finden Sie auf den Seiten der

SPIO (Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft e.V.)

http://www.spio.de/index.asp?SeitID=280

Kommission für Jugendmedienschutz (KJM)

http://www.kjm-online.de/

Jugendschutzprogramm.de

http://www.jugendschutzprogramm.de/

Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM)

http://www.bundespruefstelle.de/


  1. moltaweto
    11. Mai 2009 um 14:26

    Hallo – auch an die werten Mitleser/innen,

    das aufgezeigte Beispiel berechtigt meiner Ansicht nach sehr wohl dazu, die gesamte Farce „FSK“ und damit auch die gesamte „gesetzgeberische Gemengelage“ rund um „Kinder- und Jugendschutz“ und „Gefahrenabwendung“ respektive „Verbrechensbkämpfung mittels Internetsperre“ in Frage zu stellen. Insofern bedanke ich mich für den Artikel und hoffe, dass nicht nur viele Menschen ihn lesen, sondern auch in geeigneter Weise verarbeiten und auf die aktuelle Situation (u. a. in Bezug auf die Pseudo-Maßnahmen in Sachen „Erschwerung des Zugriffs auf Seiten mit kinderpornographischen Seoten“ = Internetzensur, denn um ein konkretes und zielführendes Vorgehen gegen die Macher und Profiteure dieses abartigen Marktes geht es hier ganz offensichtlich nicht!) anwenden werden.

    Ansonsten bleibt mir nur noch zu sagen, dass ich Deine „Sprachlosigkeit“ ob dieser Offenbarungen sehr gut nachvollziehen kann. Mir geht es ähnlich … zumindest fallen mir beim besten Willen keine „seriösen und stubenreinen“ Kommentare ein, um das zum Ausdruck zu bringen, was ich beim Lesen des Artikels empfunden habe.

    Besten Dank und ebensolche Grüße
    Hans.

  1. 10. Mai 2009 um 23:00

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