Startseite > Literatur / Studien > » WENN DER FRIEDEN SICH NICHT MEHR LOHNT «

» WENN DER FRIEDEN SICH NICHT MEHR LOHNT «

» WENN DER FRIEDEN SICH NICHT MEHR LOHNT «

Diese schillernde Aussage ist kein Zitat eines frei herumlaufenden Politpsychopathen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese Worte aus einer der wenigen kranken Hirnwindungen des Wirtes ins Sprechzentrum rutschen werden.

»Zu Gast bei Freunden« titelten sämtliche Käseblätter, was noch gar nicht so lange zurück liegt. Diese Entwicklung zeigt sehr deutlich, wie schnell Geschichte geschrieben wird und genauso schnell der Vergangenheit angehören kann. Was könnte denn wichtiger sein, als der Welt Frieden? Mit dieser Frage  möchte ich mich heute auseinandersetzen. Die geopolitischen Spannungen sind nur einen Katzensprung von atomaren Spannungen entfernt. Die unterschiedlichsten Leute zerbrechen sich ganz unterschiedlich voneinander den Kopf über diese globale Situation in der alles Möglich ist, sogar von der einen zur anderen Minute. Ja, nur wenn die Völker friedlich beisammensitzen »läuft doch das Geschäft so schlecht«. Darüber mag man schmunzeln. Tatsache ist, dass dieses Weltbild im „Menschen“ existiert. Wer dies ernsthaft anzweifelt, kann nur jemand sein, dessen Geschäfte »zufrieden stellend« über die Weltbühne gehen. »Es könnte besser sein«, aber das wird noch.

Ein kleiner Einblick in die »Erfolgsgeschichte der Menschenrechte« ist ein Kapitel der Menschheit selbst. Ein sehr trauriges und Furcht einflößendes Kapitel zugleich. Um etwas Absurdes in die »Normalität« zu rücken, muss dafür nicht unbedingt einen Meisterbrief ablegen. Zeit und Geduld führt bekanntlich sicherer und vor allem unauffälliger zum Heißersehnten Ziel. Dabei ist es wie mit dem Tabakpreisen und der schlechten Angewohnheit, diesen zu konsumieren. Ich höre mich gerade selber sprechen, als ich vor zehn Jahren sagte »wenn die Schachtel Kippen Zehn »Mark« kostet, dann raucht doch eh´keiner mehr«. Heute sind es gut und gerne fünf Euro und von zehn »Mark« sind wir eigentlich gar nicht weit entfernt. Wie weit der Mensch sich von den Menschenrechten entfernte und in wieweit dieser Begriff noch für das steht, was er einst bedeut hat und prägte.

*   *   *

Amnesty International

Die Menschenrechtsorganisation »Amnesty International« ist eine nichtstaatliche Organisation (NGO) und auch eine Non-Profit-Organisation, die sich weltweit für Menschenrechte einsetzt. Grundlage ihrer Arbeit sind die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und andere Menschenrechtsdokumente, wie beispielsweise der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte oder der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Die im Jahre 1961 gegründete Organisation hat ihren Sitz in London. Amnesty International zählt mehr als 2,2 Millionen Mitglieder und zur Unterstützung der Arbeit von »AI« wurde im Mai 2003 die Stiftung »Menschenrechte – Förderstiftung amnesty international« mit Sitz in Berlin gegründet. Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung ist Barbara Lochbihler.

Anno 1976, Milton Friedman bekam den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften, und zwar für seine »originelle und gewichtige« Arbeit über den Zusammenhang zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit. In seiner Dankensrede argumentierte Friedman, die Ökonomie sei eine ebenso strenge wie objektive wissenschaftliche Disziplin wie Physik, Chemie und Medizin und fuße an der unparteiischen Prüfung der zur Verfügung stehenden Fakten. Friedmans Ignoranz lässt grüßen. Tatsache ist, dass die zentrale Hypothese, für die er diesen Preis erhielt, gerade von den um Brot anstehenden Schlangen, den Typusausbrüchen und den dichtgemachten Fabriken in Chile Lügen gestraft wurde, dem einzigen Ort, wo Regime gnadenlos genug gewesen war, seine Ideen in die Praxis umzusetzen.

Ein Jahr später gab etwas anderes den Diskussionen über Südamerika eine neue Richtung: Amnesty International wurde mit dem Friedensnobelpreis 1977 geehrt, hauptsächlich für den mutigen Feldzug gegen den Menschenrechtsmissbrauch in Chile und Argentinien. Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften hat zwar mit dem Friedensnobelpreis äußerst wenig zu tun und wird auch von einer anderen Jury in einer anderen Stadt verliehen. Es sah jedoch so aus, als hätte mit diesen beiden Preisen, die angesehenste Instanz der Welt ihr Urteil gefällt: Der Schock der Folterkammer wurde entschieden verdammt, aber die wirtschaftliche Schockbehandlung wurde bejubelt und zwischen den beiden Schockformen gab es, wie Letelier vor Ironie triefend geschrieben hatte, »keinerlei Zusammenhang«.

Menschenrechte mit Scheuklappen

Der Grund für diese intellektuelle Brandmauer war nicht nur, dass die Chicagoer Wirtschaftswissenschaftler sich weigerten, irgendeinen Zusammenhang zwischen ihrer Politik und dem Terror zu sehen. Das Problem wurde dadurch verschärft, dass die Terrorakte als kleinere »Menschenrechtsverletzungen« hingestellt wurden und nicht als Mittel zum Erreichen eindeutiger politischer und wirtschaftlicher Ziele. In den siebziger Jahren war es keine Seltenheit, dass man nicht nur mit einem neuen Wirtschaftsmodell experimentierte, sondern auch mit einer neuartigen internationalen Menschenrechtsbewegung »von unten«. Sie trugen entscheidend dazu bei, dass die Junta die schlimmsten Misshandlungen einstellen mussten. Indem sie sich aber ausschließlich auf die Verbrechen und nicht auf die Ursache dahinter konzentrierte, trug diese Menschenrechtsbewegung gleichzeitig dazu bei, dass die Chicagoer Schule ideologisch so gut wie unbeschadet aus ihrem ersten blutigen Experiment hervorgehen konnte.

Die Verkündung der »Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte« durch die Volksversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 1948 folgte auf die bereits beliebten Modelle der »modernen Menschenrechtsbewegungen«. Kaum war das Dokument verfasst, wurde es zum politischen Rammbock: Im Krieg beschuldigten sich beide Seiten, die »nächsten Hitler« zu sein. Im Jahr 1967 enthüllten Presseberichte, dass die internationale Juristenkommission, eine hochrangig besetzte Menschenrechtsgruppe, die sich auf Verstöße der Sowjets konzentrierte, nicht die neutrale Instanz war für die man sie gehalten hatte, sonder von der CIA finanziert wurde. In diesem aufgeheizten Klima entwickelte »AI« das Prinzip der strikten Unparteilichkeit: Die Organisation sollte ausschließlich von Mitgliedern finanziert werden und sie soll streng »unabhängig von jeder Regierung, politischen Fraktion, Ideologie, allen Wirtschaftsinteressen oder religiösen Interessen und Bekenntnissen« bleiben.

Um den Beweis zu erbringen, keinerlei politischen Interessen zu dienen oder diese anzustreben, wurde Amnesty-Sektion angewiesen, gleichzeitig drei Gefangene zu »adoptieren«: jeweils aus »einen kommunistischen, einem westlichen und einem Land der dritten Welt«. Amnesty vertrat auf diese Weise eine Position, die damals für die Menschenrechtsbewegung insgesamt bezeichnend war. Menschenrechtsverletzungen sind ein universelles Übel, dass Problem begann bekanntlich durch die Verkündung der Menschenrechte selbst. An und für sich falsch gewesen war es, die Notwendigkeit zu erkennen und herauszufinden, warum es dazu kam. All das funktionierte nur, solange man sie so genau und glaubwürdig wie nur eben möglich dokumentierte. So wichtig diese Arbeit auch gewesen sein mag, sie war zugleich von erstaunlich beschränktem Wert: Bei den Berichten handelte es sich um legalistische Auflistungen der allerübelsten Unterdrückungstechniken mit Querverweisen zu den UN-Beschlüssen, die zur Aufklärung von Machtmissbrauch der Organisationen zwingend notwendig sind, gegen die dabei verstoßen wurde.

Das etwas andere Friedenskomitee

Die Arbeit der Menschenrechtsbewegung war in jeder Hinsicht strengsten Restriktionen unterworfen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die größte chilenische Menschenrechtsgruppe war das Friedenskomitee, das von Oppositionspolitiker, Anwälten und Kirchenführern gebildet wurde. Bei ihnen handelte es sich um politische Aktivisten mit jahrelanger Erfahrung, denen klar war, das Versuche, das Foltern zu beenden und politische Gefangene zu befreien, nur eine Front in einer viel größeren Schlacht darum war, wer die Reichtümer Chiles kontrollieren würde. Aber um nicht die nächsten Opfer des Regimes zu werden, verzichteten sie darauf, wie gewohnt die »Bourgeoise« anzuprangern und lernten eine neue Sprache, die der »Allgemeinen Menschenrechte«. Ohne jede Bezugnahme auf Reich und Arm, Schwache und Starke, Nord und Süd machte diese neue Sprache einfach Geltend, dass jeder das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren und den Sturz vor grausamer, inhumaner oder erniedrigender Behandlung hat.

Sie fragte nicht warum, sie konstatierte einfach dass. In der für das Lexikon der Menschenrechte typische Mixtur von Juristensprache und menschliche Anteilnahme lernten sie, dass ihre inhaftierten compaňons eigentlich »Gewissensgefangene« waren, deren von den Artikeln 18 und 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte geschützten Rechte auf Gewissens- und Religionsfreiheit sowie Meinungs- und Informationsfreiheit verletzt worden waren. Für die unter der Diktatur lebenden war die neue Sprache im Grunde ein Code; genau wie Musiker ihre politischen Botschaften metaphorisch in ihren Texten verbargen, versteckten sie ihre linken Positionen in Juristensprache – eine Möglichkeit, politisch zu werde, ohne Politik zu erwähnen. Betrachten wir die Menschenrechte von Heute, dann fällt besonders die Form von Menschenrechtsbewegung auf und von welchen Gruppen sie aufgegriffen wurden.

Als der Terror über die Welt hineinbrach, hatten deren Aktivisten ihre eigenen – ganz anderen Gründe – nicht über Politik zu reden. Über Politik redet man nicht, Politik macht man einfach. Zurzeit könnte man der Ansicht sein, die vorhandene Menschlichkeit auf Erden an einer Hand abzählen zu können. Wir sind dabei, die Demokratie zu überleben, viele wissen es nur noch nicht.

*   *   *

Er ist ein skrupelloser kleiner Bastard. Da können Sie sicher sein.

Richard Nixon, ehemaliger President der Vereinigten Staaten, über Donald Rumsfeld, 1971

Heute befürchte ich, dass wir tatsächlich in einer Überwachungsgesellschaft aufwachen, die ja längst um uns herum besteht.

Richard Thomas, britischer Datenschutzbeauftragter, November 2006

  1. Du hast noch keine Kommentare.
  1. No trackbacks yet.

Hinterlasse einen Kommentar